Woche der Kleinkunst in St. Ingbert 2016 – Vierter Wettbewerbstag

logopfanne-4-tag-2016Liese-Lotte Lübke, Alain Frei und Belle Mélange

von Gilles Chevalier

ST. INGBERT – Am letzten Wettbewerbstag in St. Ingbert tritt Liese-Lotte Lübke vor das Publikum, um Ausschnitte aus ihrem Programm „Kopf in den Sand“ zu spielen. Sie setzt sich an den Flügel und wundert sich über den „Silberwald“, also die vielen Grauhaarigen im Publikum. Ein freundliches Mitmach-Lied mit Aufstehen und Tanzen leitet den Auftritt ein.

 

Liese-Lotte Lübke sagt weiter, sie sei eine 27-jährige gelernte Hundefriseurin und habe in ihrem Leben schon so einiges erlebt. Auch auf dem „Amt in Hannover“. Diese Erlebnisse hat sie auch gleich in einem Lied verarbeitet.

liese-lotte-luebke-foto-2016-bonmot-berlin-ltdLiese-Lotte Lübke fühlt sich vor dem großen Publikum augenscheinlich nicht recht wohl, vor allem aber nicht recht sicher. Viele Melodien ihrer Lieder ähneln sich stark, die Texte sind ausgesprochen dicht und häufig dunkel.

Schwer verständlich sind die Inhalte, zum Beispiel im Song „Die alte Dame“. Die alte Dame bat bei ihr um Einlass und wollte nur eine Nacht lang bleiben. Jetzt ist sie schon seit zehn Jahren da, bestimmt zum Teil ihr Leben und macht keine Anstalten zu gehen. In diesen Song lässt sich allerhand hineininterpretieren. Leider versäumt sie es, dem Zuhörer ansatzweise einen Weg zum Verstehen zu weisen. Es fällt schwer, ihr derart tiefgründige Texte abzunehmen.

Später, im Festivalkeller, sagt die Künstlerin, dass vom Publikum immer wieder ihre Glaubwürdigkeit hinterfragt werde. Vor allem von reiferen Zuschauern. Deshalb ihre Bemerkung zum „Silberwald“, die von den Betroffenen im Festivalkeller kontrovers diskutiert wurde.

Jeder Song des Programms steht für sich allein. „Kopf in den Sand“ ist nach ihrer Aussage ein etwas „metaphös geratener Text über Lobbyisten“ – nachzuvollziehen ist das beim ersten Hören nicht. Liese-Lotte Lübke fordert die Zuschauer auf, etwas Verrücktes zu tun, den Alltag hinter sich zu lassen und sich selbst zu verwirklichen. Freundlich applaudiert das Publikum.

Alain Frei ist in St. Ingbert ein alter Bekannter. Der 33-Jährige nahm 2013 schon einmal am Wettbewerb teil. In diesem Jahr zeigt er Ausschnitte aus dem Programm „Alle Menschen sind anders… gleich!“. Der gebürtige Schweizer und Wahl-Kölner wird immer wieder mit der Frage konfrontiert: Wie seid ihr Schweizer denn? Seine Antwort: „Wir sind genau wie ihr – nur mit Geld.“ Die harte Sprache in Deutschland fällt ihm auf, beispielsweise heißt „Knecht Ruprecht“ in der Schweiz einfach nur „Schmutzli“.

alain-frei-foto-2016-bonmot-berlin-ltdDoch Frei will nicht den ganzen Auftritt lang die Unterschiede zwischen Deutschen und Schweizern herausarbeiten. Ihm liegt vielmehr daran, die Gemeinsamkeiten zu ermitteln – und zwar zwischen allen Menschen. Jeder, sagt Frei, habe eine Mutter  und gelegentlich Schwierigkeiten im Umgang mit ihr. Jeder sei auch auf der Suche nach Liebe.

Frei gleitet geschickt von Geschichte zu Geschichte und versteht es, mit seiner sympathischen Art das Publikum für sich einzunehmen. Den Blick auf das Wesentliche will er beim Publikum schärfen. So berichtet er von einem Freund, der als Kind mit seinen Eltern vor dem Kosovo-Krieg geflohen ist. Der Freund habe die Schule gehasst, weil es zu wenig Unterrichtsmaterialien gegeben habe und die Schüler wegen der vielen Angriffe dauernd in den Keller der Schule flüchten mussten. Alain Frei hat die Schule auch gehasst – aber nur wegen Mathe!

Frei berichtet offen von seinem Nervenzusammenbruch und seinen Depressionen 2013. Seinen Blick für das Wesentliche hat er erst durch den Tod seines Hundes wiedererlangt. Der, sagt Frei, kann nicht mehr wiederkommen. Aber der Mensch kann hingehen und etwas verändern. Begeistert klatscht das Publikum.

belle-melange-foto-2016-bonmot-berlin-ltd„Cherchez la femme – was Mann wissen muss“ hat das Musikerinnen-Quartett Belle Mélange sein Programm genannt. Theresa Heinz (Gesang), Vitalina Pucci (Flügel), Polina Blüthgen (Querflöte) und Nadja Schneider (Cello) zeigen ihre musikalische Vielfältigkeit. Dabei wird auf Wiedererkennbarkeit geachtet.

Die „Habanera“ aus Bizets „Carmen“ können sie klassisch oder als Rap spielen. „I will survive“ von Gloria Gaynor wird kurzerhand zu einem hessischen Liebeslied und Charles Aznavours „Du lässt Dich geh’n“ bekommt einen ganz anderen Dreh, weil es hier um die mit zunehmendem Alter stärker werdenden Auswirkungen der Schwerkraft auf die weiblichen Brüste. Doch das Wort „Brüste“ mögen die Vier gar nicht und tragen eine Ode an die Brust vor, die einen Haufen Synonyme vorschlägt.

Belle Mélange überzeugt musikalisch, ob im verjazzten Spiritual mit Bass-Querflöten-Solo, im Nutella-Blues oder in der Süßwaren-Samba. Allein die Kombination der Nummern wirkt beliebig. Alles hat mit Frauen, ihren Leidenschaften oder Interessen zu tun, ein roter Faden wird jedoch nicht richtig sichtbar. Freundlich applaudiert das Publikum.

 

©2016 BonMot-Berlin Ltd.
Fotos: BonMot-Berlin

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