Sigrid Grajek als Claire Waldoff im BKA-Theater – Kritik

2014-12-24 Sigrid Grajek als Claire Waldoff - Foto © BonMot-Berlin Carlo Wanka 001„Ich will aber gerade vom Leben singen“ – Ein biografisches Liederprogramm

von Carlo Wanka und Beate Moeller

BERLIN – Man könnte eigentlich denken, jetzt zu Weihnachten bis in den Januar hinein, ist auch mal gut mit Kleinkunst – weit gefehlt.
Wer etwas über Claire Waldoff wissen möchte, wird es schnell mal googlen. Wer aber Claire Waldoff erleben will, sollte sich unbedingt das Programm von Sigrid Grajek ansehen. Warum ich dies in der Heiligen Nacht noch poste? Weil es mir außerordentlich gut gefallen und gut getan hat! Kein Weihnachtsgeschenk hätte schöner sein können.

„Ich will aber gerade vom Leben singen…“

heißt die musikalische Biografie über Claire Waldoff von und mit Sigrid Grajek, die am Piano einfühlsam von Regina Knobel begleitet wird.

Claire Waldoff ist eine der berühmtesten Berlinerinnen. Sie hat das Bild der Berlinerin geprägt. Und auch, wer heutzutage nach Berlin reist – aus dem Rest von Deutschland oder der ganzen Welt – erwartet, eine solche Type hier zu treffen: Rustikal, mit frecher Klappe und kaum zu bremsen in der Energie, die sie verströmt. Diese Frau hat die schlimmsten Katastrophen überstanden und riskiert immer noch ne dicke Lippe, weil sie das Herz auf der Zunge trägt.

Die Schauspielerin und Sängerin Sigrid Grajek hat sich dieses Unikums angenommen – ihr einen Abend gewidmet. Der kommt ohne folkloristischen Frohsinn aus, der ist einfach nur echt. Sie erzählt die Lebensgeschichte von Claire Waldoff und illustriert sie mit ihren Liedern. Kess, burschikos und immer mit einem verschmitzten Augenzwinkern.

„Nach 23 Uhr ne Frau auf der Bühne im Herrenanzug! – das geht ja gar nicht“, meckerte der Zensor, als sie 1907 im ‚Roland von Berlin‘ auftrat. Sigrid Grajek schlüpft in die Rolle der Claire Wadoff und bleibt doch immer sie selbst. Ohne rote Perücke und überflüssige Requisiten versetzt sie uns zurück in eine Zeit, in der Mütter Socken gestrickt haben für Söhne, damit die im Krieg nicht frieren (damit war der erste Weltkrieg gemeint, was man damals noch nicht wissen konnte) – so putzig, als wäre damit keine Lebensgefahr verbunden, in der Mädchen noch nicht in jeder Stadt in Deutschland das Abitur machen konnten und es schon längst nicht als normal angesehen wurde, wenn zwei Frauen zusammen leben. Hat Claire Waldoff mit Olly aber gemacht.

Die Lieder, die sie auf den Berliner Kabaretttheatern zum Besten gegeben hat, sind Gassenhauer geworden. Selbst, wenn das vom Alter des Publikums im Berliner BKA-Theater her überhaupt nicht sein kann, singen die Zuschauer viele Refrains mit: „Es gibt nur ein Berlin…“ und „Hannelore – schönstes Kind vom Hallschen Tore“ – „die hat nen Bräutjam und ne Braut.“ Am bekanntesten: „Wer schmeißt denn da mit Lehm?“

Die berühmte Berlinerin Claire Waldoff stammt nebenbei bemerkt aus Gelsenkirchen und ist 1957 in Bad Reichenhall gestorben. Sigrid Grajek lässt sie mit dem Programm „Ich will aber gerade vom Leben singen“ geradezu unsterblich werden. Ohne einen Hauch von staubverdächtiger Nostalgie, mit energischer Kraft und mit ungebändigtem Trotz schaut sie zurück und gleichzeitig nach vorn. – Wenn Sigrid Grajek als Claire Waldoff von ihrem Freund Heinrich Zille erzählt, ist es so packend, dass man meinen könnte, er sitze unten in der Eckkneipe und wartet nur, bis sie mit ihrem Auftritt fertig ist, um dann mit ihr abzutauchen ins Milljöh …

© 2014 BonMot-Berlin
Fotos: Carlo Wanka

Termine im BKA am 25. 12. – 18 Uhr | 26.12. 20Uhr und am 1. 1. 2015 20Uhr

BKA – Berliner Kabarett Anstalt, Mehringdamm 34, 10961 Berlin
Kartentelefon: 030.20 22 007 – Homepage BKA-Theater

Homepage Sigrid Grajek

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