Kleine Häppchen vom großen Mythos

Die Revue „Berlin Berlin“ versucht sich am verruchten und vibrierenden Entertainment der „Goldenden 20er Jahre“

von Axel Schock

BERLIN – Wer auch immer sich den Begriff der „Goldenen Zwanziger Jahre“ einst ausgedacht hat, er oder sie war ein genialer Marketingstratege. Denn „golden“ war dieses Jahrzehnt lediglich für die Happy Few, die nicht als Arbeitslose oder verarmt ums Überleben kämpften oder menschenunwürdig in Mietskasernen mehr vegetierten, denn lebten. Die lichterglänzenden Etablissements am Tauentzien, am Potsdamer Platz oder am luxuriösen Ende der Friedrichstraße konnten sich die Durchschnittsberliner kaum leisten. Der Glamour dieser Tage aber ist längst zum märchenhaften Mythos geronnen, der nun, ein Jahrhundert später, einmal mehr fasziniert und inspiriert. Volker Kutschers Romanreihe und die Netflix-Verfilmung unter dem Titel „Babylon Berlin“ haben den sich wandelnden Geist und die widersprüchliche Gesellschaft zwischen Rausch und Verderben eindringlich erfasst und damit einen neuerlichen Hype ausgelöst.

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Opening Gala – 31. IKF 2019

Eröffnungs Gala zur 31. internationalen Kulturbörse in Freiburg

vom Ritter von Lehenstein

FREIBURG – Die vier Akkordeonisten von Danças Ocultas aus Portugal eröffnen und schließen den Auftakt zur 31. Internationalen Kulturbörse Freiburg (IKF). Eindeutig beherrschen sie ihre Instrumente und sind hörenswert, jedoch als first act.

Als Timo Wopp, der diplomierte Kaufmann, Wahlberliner und Vater, nun als Moderator auf die Bühne prescht und das Programmtempo schlagartig antreibt, bekommt man das Gefühl, doch auf der richtigen Veranstaltung zu sein. Er führt durch den Abend und lässt es sich nicht nehmen, Weiterlesen

Endlich wieder Heimspiel für Arnulf Rating

Arnulf Rating spielt sein neues Programm „Tornado“ in Berlin

von Carlo Wanka

BERLIN – Arnulf Rating ist ein wortgewaltiger, origineller und ausgesprochen schlagfertiger Politkabarettist. Er ist mit den wichtigsten Kabarettpreisen ausgezeichnet und in allen einschlägigen TV-Sendungen, wie „Die Anstalt“, kann man ihn erleben. Seine Leidenschaft jedoch – gilt seinem Publikum bei seinen Live-Auftritten. Legendär sind auch seine Veranstaltungen, wie der jährlicher Politischer Aschermittwoch in Berlin, wo er mit anderen Hochkarätern kein Blatt vor den Mund nimmt und keine Zeitungsente ungerupft läßt. Weiterlesen

Imposante „Nacht der Preisträger“ – Kritik

Abschlussabend des Köln Comedy Festivals 2017

von Marianne Kolarik

KÖLN – 85 Prozent Auslastung, was die Kaufkarten angeht, insgesamt 52.000 Besucher: kein schlechtes Fazit für das 27. Köln Comedy Festival (12.-28.10.2017). Hinzu kommt ein würdiger Abschlussabend im Gloria, der als „Nacht der Preisträger“ über die Bühne ging.

Mit viel Empathie und mit guten Pointen bestückt, moderiert von Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser, der seriös daher kommende, aber umso pfiffigere NightWash-Gastgeber der ersten Stunde.
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Deutschpuscheln mit Migrationsfranzose – Kritik Alfons

Alfons: „Wiedersehen macht Freunde“

von Carlo Wanka

BERLIN – Alfons, die Kunstfigur mit dem Puschelmikrofon von Emmanuel Peterfalvi, ist seit den 90ern nicht mehr von unseren TV-Bildschirmen verschwunden. Der gebürtige Franzose, Ingenieur für Kommunikationstechnologie, hat mit Alfons einen Charakter erschaffen, der so eigenständig ist, dass er sich den gängigen Kriterien von Kabarett und Comedy entzieht. „Ach, der komische Franzose mit dem merkwürdigen Mikrofon, ja den habe ich schon gesehen. Der ist lustig.“, sagte neulich ein Freund, der mit Kleinkunst so gar nichts am Hut hat. Ja, Weiterlesen

Stilvoll abgehen, aber vorher richtig l(i)eben – Kritik Reinhild Kuhn

 

Reinhild Kuhn: „Up-Leben. Ein lebensfroher Abend über die Vergänglichkeit.“

von Beate Moeller

BERLIN – Reinhild Kuhn bringt Glanz in eine Sperrmüllansammlung, die an Schäbigkeit ihresgleichen sucht und sich keck „Theater Zukunft“ nennt. Offene Mauerbruchstellen (sic!) umrahmen den als Bühne genutzten Platz. Auf dem Boden ein verblichener Billigteppich. Pianistin Fee Stracke muss auf einem hölzernen Küchenstuhl sitzen, der irgendwann vielleicht mal hellblau oder türkis angestrichen gewesen sein mag. Elegant am Mikrofon die Sängerin Reinhild Kuhn im Weiterlesen

New Yorker Szenestar Narcissister in Berlin – Interview

Am Mittwoch bei Bartuschka und den Stage Diven in der ufa-Fabrik

von Beate Moeller

BERLIN – Einen ganz besonderen Gast präsentiert Bartuschka bei den Stage Diven, der Mixed Show, in der nur Frauen mitspielen, am kommenden Mittwoch: Narcissister. In der New Yorker Szene sorgt sie für Furore. Mit ihrer durchgeknallten NeoBurlesque Show tritt sie auf der ganzen Welt auf. Selten kommt sie nach Europa. Niemand kennt ihr Gesicht. Nun hat sie ihr Gastspiel in London unterbrochen, um nur an diesem einen Abend eine der Stage Diven in der ufa-Fabrik zu sein. – Liveundlustig hat Narcissister zum Interview getroffen. Weiterlesen

Ganz in Schwarz und ohne Blumenstrauß – Kritik Nico Semsrott

nico-semsrott_2-foto-fabian-stuertzNico Semsrott: „Freude ist nur ein Mangel an Information 2.5“

von Gilles Chevalier

BERLIN – Da steht er nun, der Preisträger in der Sparte Kleinkunst des Deutschen Kleinkunstpreises 2017. (Preisverleihung am 5.3.17 im Mainzer unterhaus) Mitten auf der großen Bühne der Berliner Wühlmäuse. Großes Aufheben ist ihm fremd. Nico Semsrott hat seine Kapuzenjacke zugezogen und die Kapuze über den Kopf gezogen. Selbst das Licht ist sparsam: Punktgenau setzt es den Künstler in Szene.

Es scheint Semsrott fast unangenehm zu sein, dass sich 500 Menschen seinetwegen auf den Weg ins Theater gemacht haben. Zurückhaltend agiert er, immer auf der Hut vor dem Scheitern. Denn das ist sein Thema.
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Abstruse Übungen von Leib und Seele – Kritik Leipziger Central Kabarett

dada-01-foto-harald-pfeifer_liveundlustig„Dada is Muss“ als Kammerspiel

von Harald Pfeifer

LEIPZIG – Der Geburtstag von Dada ist der 5. Februar 1916. Junge Kriegsflüchtlinge trafen sich danach ein Vierteljahr täglich, außer freitags, im Züricher Cabaret Voltaire. Sie machten Programm, bezogen das Publikum mit ein in ihr wirres Spiel, verweigerten sich strikt dem bürgerlichen Kunstverständnis und entwickelten so fast ungewollt grundlegende Prinzipien für die künstlerische Moderne des bevorstehenden Jahrhunderts.
Dada war für sie aber auch ein Weg, sich notdürftig im Exil den Lebensunterhalt zu verdienen. Weiterlesen

Leben heißt Veränderung – Kritik Özcan Cosar

Özcan Cosar - Foto Gianni D. PhotographyÖzcan Cosar: „Du hast dich voll verändert“

von Gilles Chevalier

BERLIN – Open-Air-Veranstaltungen sind eine tolle Sache. Richtig angenehm sind sie aber erst, wenn sie auch überdacht sind – so wie der Open-Air-Bereich in der Berliner ufaFabrik. So hatte der zeitweilige Regen keine Chance, die gute Stimmung bei Özcan Cosars Auftritt zu trüben.

„Du hast dich voll verändert“ heißt das zweite Programm des schwäbischen Comedians mit türkischen Eltern. Die Verbindung des Künstlers zur Türkei spiegelt sich auch im Publikum wieder: Weiterlesen

Der Mond leuchtet über Berlin: „Frau Luna“ – nostalgische Erscheinung

2016-06-16 Frau Luna im Tipi - Cora Frost Venus - Foto © Carlo Werndl v. L.Die „Frau Luna“-Produktion mit einer Kleinkunst-All-Star-Besetzung im Berliner Tipi wirft erste Schatten voraus

von Axel Schock

BERLIN – Das Ganze hat durchaus etwas Größenwahnsinniges. Fans des Kabaretts in all seinen Schattierungen leuchten die Augen angesichts dieses Casts: Auf dem Besetzungszettel finden sich die Geschwister Pfister, Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn, Cora Frost und Gerd Thumser, Ades Zabel, Fausto Israel und Max Gertsch, Gustav Peter Wöhler, Sharon Brauner und Annamateur. Wer wagt, ein solches Unternehmen überhaupt auf die Beine zu stellen, muss wahnsinnig – und leidenschaftlich sein.
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Die Chapertons geben Gummi – Ausgehtipp

Chapertons - Foto PR_300Comedy & Clownerie aus Spanien am Sonntag bei den Wühlmäusen

BERLIN – Nur selten findet man so viel Witz und Effekt mit so einfachen Mitteln umgesetzt: Die Chapertons aus Barcelona präsentieren eine verrückte Kombination aus moderner Comedy und klassischer Clownerie vom Allerfeinsten. Ihr einziges Material sind dabei gewöhnliche Autoschläuche.
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Ladies Night im Baumarkt mit den „Hammerfrauen“

BAUHAUS_Motiv_01.inddMusical-Uraufführung in den Wühlmäusen
von Beate Moeller

BERLIN – Den Sommer über wird am Theodor-Heuss-Platz mit Frauen-Power kräftig renoviert. Täglich ab 20 Uhr knallt und hämmert es auf der Bühne:

Bei der Ladies-Night im Baumarkt – dem Handwerkerkurs nur für Frauen – lernen vier Damen zwischen Sekt und Schnittchen, wie man fliest und fugt. Doch nicht nur das Fliesenlegen, auch den Baumarkt selbst nimmt das Do-it-yourself-Quartett über Nacht in die Hand. Weiterlesen

Blödsinn auf dem Boden der Tatsachen – Kritik Ulan & Bator

Ulan + BatorUlan & Bator: „Irreparabeln“

von Marianne Kolarik

Wer wartet hier worauf? Zwei Männer in dunkelgrauen Anzügen sitzen auf der Bühne – auf zwei schwarzen Stühlen, mit deren Hilfe sie später ein grandios komisches Konzert („Klassik modern“) geben werden. Aus ihren Hosentaschen ziehen sie bunte Bommel-Wollmützen, ziehen sie auf ihre Köpfe. Aus ihren Mündern fließt eine Art synchroner Scat-Sprache, ein Silben-Wortsalat mit jazzigen Anklängen.

„Irreparabeln“ heißt das neue Programm von Sebastian Rüger und Frank Smilgies, zwei Schauspieler, die nicht nur den Dadaismus beerbt, sondern mit ihren surrealen Miniaturen eine völlig neue Spielart von Comedy erfunden haben. Weiterlesen